Übernachtung der Schulanfänger 2014

Zu zweit sind wir. Lange habe ich mich darauf gefreut und heute ist es soweit. Ich komme am Nachmittag mit Schlafzeug und Kuscheltier zu meinem Wald. Ich bin aufgeregt: Alles ist vertraut und doch ist es anders als sonst. Gleich starten wir zum Frey-Hof, lustig ist die Fahrt mit Bärbel und Renate in ihrem gelben Sonnenblumenauto. Wir spielen Pilotin und Co-Pilotin und fliegen einfach so dahin und ich bin in Vorfreude auf das, was kommen wird.

Auf dem Hof angekommen dürfen wir erst mal die vielen Hasen füttern – ein Hasenbaby darf ich halten, es zappelt und schaut so lieb aus. Ich kann den Herzschlag spüren, das Herz schlägt ganz schnell, ich streichle es und lege es wieder zurück ins Nest. Ich kehre und mache sauber und bringe neues Wasser. Bärbel mäht frisches Gras und ich darf es verteilen. Glücklich sehen sie aus, die Hasen und ich bin es auch und stolz, dass ich helfen darf.

Schon geht’s weiter. Wir holen Luna, unser Waldpferd von der Koppel, putzen und satteln es und dann reiten wir los. Wir reiten abwechselnd zum Bach mit den vielen, großen Felsen. Barfuß gehen wir ins Wasser und es gibt so viel zu entdecken: Ich finde einen Schatz nach dem anderen, rufe laut immer wieder “Schau, schau, was ich gefunden habe …” und alle teilen meine Freude und Begeisterung mit mir. Ich könnte noch lange, lange hier bleiben…

Rein in unseren gelben Flieger und die Sonnenblume startet mit uns Richtung Waldkindergarten. Ja, was ist denn das? Kerzenschein flackert durch unseren Wald, ich kann die Lichter gut sehen, denn es ist schon dunkel geworden. Ein festlich gedeckter Tisch mit silbernen Kerzenleuchtern und vielen schönen Sachen. Alle Waldfrauen sind da und Klaus grillt gerade leckere Würstchen für uns. “Ein Candlelight-Dinner im Wald”, sagen unsere großen Waldleute, “extra für unsere beiden Mädels.”

Ich setze mich an den schön gedeckten Tisch und habe riesigen Hunger. Ich fühle mich wohl und reich beschenkt, obwohl ich kein Geld bekommen habe. Es wird immer dunkler, ich lausche und spüre, mein kleines Licht der Lampe tut gut auf dem Weg vom Waldhaus bis zum Schlafplatz im Tipi. Ich werde immer sicherer und lege mir ein weißes Tuch um und gehe mit meiner in ein schwarzes Tuch gehüllten Freundin in den Wald, in die Nacht hinein. Ich bin sehr mutig und die Waldfrauen sagen, Weiß konnten sie am längsten sehen, ich hab es auch gesehen. Wir schleichen leise und ganz ruhig durch unser Waldgelände, lauschen und horchen in die Dunkelheit hinein. Es ist anders als am Tag, irgendwie besonders, ich kann es nicht beschreiben, nur fühlen. Müde und voller Eindrücke komme ich an unserem Eingangstor an, da – eine Sternschnuppe mit langem Schweif, schon bin ich wieder hellwach, und noch eine und noch eine…!

Jetzt bin ich aber wirklich sehr müde und schlüpfe in meinen kuschligen Schlafsack, auf meinem Feldbett ist es so richtig gemütlich. Ich lausche der Mond- und Sternengeschichte von Vincent van Gogh, der die Nacht wohl auch mit Kinderaugen gesehen hat. Gut hab ich geschlafen und am Morgen werde ich verabschiedet. Sehe ich da eine Träne? Ich glaube, meine Waldfrauen werden mich vermissen, ich sie auch. Renate räuchert uns mit Harzen von den Bäumen aus unserem Wald und wohlriechenden Kräutern; ich fühle mich so wertvoll und genieße es. Renate legt mir ganz zart die Hand auf meinen Kopf und sagt einen Segensspruch für mich. Ich verstehe nicht alle Worte, aber ich fühle sie und sie machen mich stark.

Ich schnitze mir einen Wanderstock, verziere ihn mit gefundenen Federn aus unserem Wald. Ja, eine Eichelhäher-Feder, die passt gut, erzählt sie doch von der Freude. Dann schreite ich gut gestärkt zum Waldtor. Dort warten schon meine Eltern und Geschwister auf mich, fröhlich und stolz laufe ich in ihre Arme.

Ich bin soooo reich, obwohl ich kein Geld bekommen habe. Geld kann man wieder verlieren, mein Reichtum bleibt. Jetzt noch ein stärkendes Frühstück mit meinen Eltern und Geschwistern, und dann bin ich gut gerüstet für die Ferien und meinen neuen Lebensweg, den Weg in die Schule. Danke, lieber Wald, schön war es. Ich werde dich vermissen. Vielleicht komme ich im Herbst in die Waldbande, wer weiß!?


Sep 14, 2014 | Kategorie: Projekte | Kommentare: keine




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